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Karzinotron

HF-Ausgang

Bild 1: Prinzipschaltung eines Karzinotrons vom Typ „O“

HF-Ausgang

Bild 1: Prinzipschaltung eines Karzinotrons vom Typ „O“

Karzinotron

Das Karzinotron (von karkinox, dem griechischen Wort καρκίνος für den rückwärts schwimmenden Krebs) auch Backward-Wave Oszillator, BWO oder in älterer Literatur auch Oppositron genannt, ist eine Elektronenröhre zur Schwingungserzeugung, die den Vorteil der elektronischen Abstimmbarkeit über einen großen Frequenzbereich besitzt. Das Karzinotron (im Original: Carcinotron, ein Markenname der Firma Thomson-CSF, jetzt Teil von Thales) gehört zu den Laufzeitröhren und ist eine sogenannte „Rückwärtswellenröhre” (Backward-Wave Tube, BWT).

Es gibt zwei Typen von Rückwärtswellenröhren, welche als Typ „M“ oder „M-BWO“ und Typ „O“ oder „O-BWO“ unterschieden werden. Röhren vom Typ „M“ sind Kreuzfeldröhren ähnlich einem Magnetron. Das O aus der Typenbezeichnung O-Typ stammt aus dem französischen Wort für Welle l’onde und benennt, dass sich das Magnetfeld in der gleichen Richtung wie der Elektronenstrahl und die Verzögerungsleitung für die Wellen befindet.

Die Erfindung eines Rückwärtswellenoszillators wurde gleichzeitig und unabhängig voneinander von Rudolf Kompfner (einem in England lebenden österreichischen Wissenschaftler) von den Bell Labs und von Bernard Epsztein von Thomson-CSF vorgestellt. Epsztein demonstrierte am 31. März 1951 den Betrieb eines Rückwärtswellenoszillators vom M-Typ und benannte es Carcinotron. Eine Patentanmeldung wurde eingereicht (französisches Patent Nr. 1 035 379;[1] britisches Patent Nr. 699 893; US-Patent Nr. 2 880 355). Kompfner erfand 1951 den Rückwärtswellenoszillator vom O-Typ. Dieses Patent wurde am 15. Mai 1952 unter der Nummer US 2 985 790[2] angemeldet und am 23. Mai 1961 erteilt.

HF-Ausgang
Dummy

Bild 2: Prinzipschaltung eines Karzinotrons vom Typ „O“ mit serpentinenförmiger Hohlleiter-Verzögerungsleitung

HF-Ausgang
Dummy

Bild 2: Prinzipschaltung eines Karzinotrons vom Typ „O“ mit serpentinenförmiger Hohlleiter-Verzögerungsleitung

Karzinotron vom Typ „O“

Das Karzinotron vom Typ „O“ hat einen ähnlichen Aufbau wie eine Wanderfeldröhre. Der Elektronenstrahl wird durch ein starkes Magnetfeld fokussiert, welches an den Interaktionen jedoch nicht beteiligt ist. Die Verzögerungsleitung ist meist ein gefalteter Hohlleiter, dessen Abmessungen die Bandbreite der Röhre bestimmt. Für geringere Ausgangsleistungen können auch bifilar gewickelte Drahtwendeln verwendet werden (siehe Bild 1). Die Funktionsweise basiert wie bei der Wanderfeldröhre auf der synchronen Wechselwirkung zwischen der hochfrequenten Welle in der Verzögerungsleitung und dem Elektronenstrahl. Doch während in einer Wanderfeldröhre die Richtung der Welle in der Verzögerungsleitung mit dem Elektronenstrahl läuft, ist die Richtung im Karzinotron umgekehrt. Wenn Welle und Elektronenstrahl einander entgegenlaufen, dann wirkt der Elektronenstrahl als Rückkopplungselement, indem er die induzierten Geschwindigkeitsänderungen vom Ausgang auf den Eingang rückkoppelt.

Schwingungen werden dann erzeugt, wenn zwischen Elektronengeschwindigkeit und Phasengeschwindigkeit der Welle auf der Verzögerungsleitung eine Phasendispersion besteht. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit in der Verzögerungsleitung ist konstant. Die Geschwindigkeit der Elektronen im Elektronenstrahl kann durch das Kollektorpotential (praktisch: Änderung der Anodenspannung!) geändert werden. Somit kann die Frequenz der erzeugten Schwingungen in recht großem Bereich geändert werden.

Anode mit Verzögerungsleitung
HF-Ausgang
Kaltkathode
Kathode
Absorber
Kollektor
Kontroll-
elektrode

Bild 3: Prinzipschaltung eines Karzinotrons vom Typ „M“

 
Anode mit Verzögerungsleitung
HF-Ausgang
Kaltkathode
Kathode
Absorber
Kollektor
Kontroll-
elektrode

Bild 3: Prinzipschaltung eines Karzinotrons vom Typ „M“

Karzinotron vom Typ „M“

Der Rückwärtswellenoszillator vom Typ M verwendet ein elektrisches Feld E zwischen den Kathoden und der Anode sowie ein senkrecht dazu stehendes magnetisches Feld B, ähnlich wie beim Magnetron, zur kreisförmigen Ablenkung eines Elektronenstrahls. Die Elektronen bewegen sich senkrecht zu Feld E und Feld B mit einer Geschwindigkeit Ve. Eine starke Wechselwirkung tritt bei einer Phasendispersion auf, das heißt, wenn die Phasengeschwindigkeit Vφ der hochfrequenten Welle in der Verzögerungsleitung etwa der Elektronengeschwindigkeit Ve entspricht. Die Elektronen erhalten eine zusätzliche Geschwindigkeitskomponente, welche zu einer Paketbildung von Elektronen führt. Elektronen, die sich in einem abbremsenden elektrischen Feld der Welle in der Verzögerungsleitung befinden, verlieren die Energie, die sie durch das statische elektrische Feld E erhielten und geben diese Energie an die hochfrequente Rückwärtswelle ab. Die Rückwärtswelle hat die Geschwindigkeit Vrh und bildet zu den Elektronenpaketen eine im Raum harmonische Resonanz, das heißt die elektrische Feldstärke der Rückwärtswelle erhält genau an den Stellen ein Maximum, an denen die Elektronenpakete ebenfalls ein Maximum haben.

Die Kaltkathode ist negativer als die geheizte Kathode, um zu vermeiden, dass die Elektronen von der Kaltkathode aufgefangen werden, die während der Wechselwirkung mit dem Feld der Welle in der Verzögerungsleitung Energie aufgenommen haben. Diese Maßnahme bewirkt auch die Änderung des Radius der Elektronenbahnen kurz nach dem Verlassen der geheizten Kathode. Der Kollektor C hat Anodenspannungspotenzial und schließt den Stromkreis des Karzinotrons.

Karzinotrone vom Typ „M“ können auch in einem Resonanzbereich der Verzögerungsleitung arbeiten. Dadurch erhalten sie eine bessere Effizienz, können aber innerhalb einer gewissen Bandbreite trotzdem die Eigenschaft der elektrisch abstimmbaren Frequenz beibehalten. Meist genügt es, nur einen Resonator als Reflektor einzubauen.

Elektrische Kennwerte

Die mit diesem Röhrentyp erzielbaren Leistungen liegen zwischen 50 und 1 000 mW. Die erzeugbaren Frequenzen reichen bis in den Terahertz-Bereich und werden nur durch die Verzögerungsleitung begrenzt. Die abstimmbare Bandbreite kann typischerweise mehr als 10% der Mittenfrequenz betragen. Gemessen an anderen Oszillatorröhren hat es mit nur etwa 20 bis 30% (O-Typ) und bis 40% (M-Typ) eine recht geringe Effizienz, die sich mit zunehmender Frequenz noch verringert.

Karzinotrone wurden Anfang der 1960er bis Ende der 1970er Jahre in Störapparaturen gegen Radar angewendet. Danach wurden sie dort generell durch Halbleiterschaltungen ersetzt. Ab 1980 wurden Laboranwendungen bis in den oberen Terahertzbereich interessant.

Frequenzbereich (GHz) Anoden-
spannung
(kV)
Ausgangs-
leistung
(dBm)
Band VHF … J 0,1 … 20 0,2 … 2 13 … 17
Band D … K 1 … 40 0,1 … 0,8 17 … 30
Band K … O 35 … 260 0,4 … 1,9 8 … 16
Infrarot 260 … 1 400 1 … 6 −3 … 10

Quellen:

  1. Patent FR1035379 (A): Bernard Epsztein, ''Backward flow travelling wave devices'', published 1959-03-31
  2. Patent US2985790 (A): Rudolf Kompfner, ''Backward-Wave Tube'', 1951-05-17, (Google Patents)