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Reflexions- und Streuungsmechanismen

Bild 1: Reflexions- und Streuungsmechanismen am Beispiel eines Airbus A320

Bild 1: Reflexions- und Streuungsmechanismen am Beispiel eines Airbus A320

Reflexions- und Streuungsmechanismen

Das Echosignal eines Flugzeuges setzt sich aus Anteilen zusammen, die durch verschiedene Reflexions- und Streuungsmechanismen entstehen. Es gibt drei grundlegende physikalische Mechanismen, die zu einer effektiven Reflexionsfläche (RCS) eines Ziels beitragen. Dabei handelt es sich entweder um Spiegelreflexionen oder um gestreute Wellen, die an abrupten Diskontinuitäten entstehen (z.B. Beugung an Spitzen, Kanten und Ecken) oder um Oberflächenwellen - die Oberfläche wirkt wie eine Übertragungsleitung, die die Wellen entlang ihrer Oberfläche leitet. Die wichtigsten Quellen für die reflektierte oder gebeugte Energie an einem typischen Flugzeug sind:[1][2]

  1. Diffraktion (Beugung) an einer Spitze
  2. Spiegelreflexion
  3. Echosignal von umlaufenden Kriechwellen
  4. Diffraktion (Beugung) an einer Kante
  5. Diffraktion (Beugung) an einer Ecke
  6. Echosignal durch Wanderwellen
  7. Mehrfachreflexionen
  8. Reflexionen an Materialverbindungen
  9. Echosignale aus Mehrfachreflexionen in Hohlräumen
  10. Reflexionen an Diskontinuitäten der Oberfläche
Wellenfront

Bild 2: Diese Echosignalquellen überlagern sich mit unterschiedlicher Phasenlage

Wellenfront

Bild 2: Diese Echosignalquellen überlagern sich mit unterschiedlicher Phasenlage

Spiegelreflexion

Eine spiegelnde Fläche ist jede Zieloberfläche, die senkrecht zur Sichtlinie des Radars ausgerichtet ist. Flache Oberflächen liefern besonders große Echos in der Spiegelungsrichtung, aber die Stärke des Echosignals lässt abseits dieser Richtung stark nach. Spiegelechos von einfach und doppelt gekrümmten Oberflächen (zylindrische und kugelförmige Oberflächen) sind etwas schwächer als die von flachen Oberflächen, aber sie sind konsistenter bei Änderungen des Beleuchtungswinkels des Radars.

Mehrfachreflexionen

Relativ starke Echosignale können auftreten, wenn zwei Oberflächen ähnlich wie ein Winkelreflektor ausgerichtet sind wie in Bild 1 am Beispiel ⑦. Ähnliche Wechselwirkungen treten bei Schiffszielen auf, wenn Schotten, Relings, Masten und andere Aufbauten an der Wasseroberfläche reflektiert werden.

Echosignal von umlaufenden Kriechwellen

Eine Kriechwelle ist eine Welle, die an eine glatte, abgeschattete Oberfläche gebunden ist, um die Rückseite eines glatten Körpers herumläuft und dann zum Radar zurückkehrt, wenn sie an der Schattengrenze auf der gegenüberliegenden Seite wieder auftaucht. Durch Mie-Streuung bewirkt die Kriechwelle, dass die Echosignale von kleinen kugelförmigen Oberflächen mit derem Radius variieren. Der Mechanismus der kriechenden Welle ist für militärische und zivile Ziele nur bei sehr niedrigen Frequenzen von Bedeutung.

Echosignal durch Wanderwellen

Wenn der Einfallswinkel dicht an oder sogar parallel zur Oberfläche liegt, kann eine Oberflächen-Wanderwelle induziert werden. Die Oberflächenwelle neigt dazu, sich zur Rückseite des Körpers hin aufzubauen und wird in der Regel von jeder Unstetigkeit (Fehlanpassung) nach vorne reflektiert. Wanderwellenechos können eine Größe fast wie bei einer Spiegelreflexion erzielen.

Bild 3: Komplexes Reflexionsdiagramm eines Airbus A320 in Abhängigkeit vom Aspektwinkel.

Bild 3: Komplexes Reflexionsdiagramm eines Airbus A320 in Abhängigkeit vom Aspektwinkel.

Beugung an Spitzen, Kanten und Ecken

Die Echosignale durch Beugung an Spitzen, Kanten und Ecken sind wesentlich geringer als bei einer Spiegelreflexion und sind für den Flugzeugkonstrukteur nur dann von Bedeutung, wenn die meisten anderen Echoquellen schon unterdrückt wurden. Die Echos von Spitzen und Ecken sind konstruktiv bedingt und nehmen tendenziell mit dem Quadrat der Wellenlänge zu, nicht mit der Größe eines Oberflächenmerkmals. Daher verlieren sie mit steigender Trägerfrequenz des Senders zunehmend an Bedeutung.

Reflexionen in Hohlräumen und an Diskontinuitäten der Oberfläche

Die meisten Flugzeuge haben zwischen den Rudern oder Steuerflächen und dem festen Teil des Flugzeugs schmale Schlitze oder Lücken. Diese Schlitze und Lücken und bei höheren Frequenzen sogar Nietenköpfe können Energie zum Radargerät reflektieren. Innerhalb von Öffnungen, zum Beispiel den Triebwerkseinlässen oder Cockpitfenstern können wieder durch Mehrfachreflexionen starke Echosignale generiert werden. Deshalb werden bei militärischen Flugzeugen die Glasflächen der Cockpit-Haube mit einer dünnen Metallschicht bedampft.

 

Nicht alle diese Mechanismen müssen bei jedem Ziel auftreten, aber alle auftretenden Echoquellen überlagern sich durch kleinste Entfernungsunterschiede mit unterschiedlicher Phasenlage. In einigen Richtungen können sich alle Quellen in der Phase addieren und führen so zu einer großen Reflexionsfläche. In anderen Richtungen können einige Quellen andere Quellen auslöschen, was zu einem sehr niedrigen Reflexionsfläche führt. In der Summe bilden sie ein komplexes Reflexionsdiagramm, deren Werte vom Aspektwinkel abhängen. Die effektive Reflexionsfläche kann daher um mehr als 30 dB schwanken, was sich als Fluktuationsverlust bemerkbar macht.

Quellen:

  1. Eugene F. Knott, “Radar observables,” in Tactical Missile Aerodynamics: General Topics, Vol. 141, M. J. Hemsch, ed., Washington, DC: American Institute of Aeronautics and Astronautics, 1992, Chap. 4.
  2. Eugene F. Knott, “Radar Cross Section,” in M. Skolnik: “Radar Handbook”, Third Edition, McGraw-Hill Education, 2008, ISBN 9780071485470, page 14.2f