Die Radargrundgleichung
Die Radargrundgleichung wird dazu benutzt, die physikalischen Zusammenhänge von der Sendeleistung über die Wellenausbreitung bis zum Empfang darzustellen. Mit ihr kann die Leistung Pe am Eingang des Radarempfängers in Abhängigkeit von der Sendeleistung PS, der Entfernung R und den Reflexionseigenschaften des Objektes σ bestimmt werden. Bei bekannter Empfindlichkeit des Empfängers kann somit abgeschätzt werden, bis zu welcher Reichweite unter den gegebenen Umständen das Zielobjekt ein ausreichend starkes Echosignal erzeugen wird, dass es im Radargerät erkannt wird. So lässt sich mit der Radargleichung die betriebliche Leistungsfähigkeit von Radaranlagen beurteilen.
Herleitung der Radargleichung
Im Folgenden wird zunächst davon ausgegangen, dass sich die elektromagnetischen Wellen unter idealen Bedingungen, also ohne Störeinflüsse, ausbreiten können.

Bild 1: Die ungerichtete Leistungsdichte verteilt sich auf eine Kugeloberfläche


Bild 1: Die ungerichtete Leistungsdichte verteilt sich auf eine Kugeloberfläche
Wird von einem isotropen Kugelstrahler hochfrequente Energie abgestrahlt, so verteilt sich diese gleichmäßig nach allen Richtungen. Demzufolge bilden Flächen gleicher Leistungsdichte Kugeln um den Strahler. Bei größer werdendem Kugelradius verteilt sich die Energie auf eine größere Fläche (A= 4 π R²) um den Strahler. Oder anders ausgedrückt: bezogen auf eine angenommene Fläche wird die Leistungsdichte S an der Fläche A mit steigendem Abstand durch die Strahlungsdivergenz geringer.
Somit ergibt sich für die ungerichtete Leistungsdichte Su in Watt pro Flächeneinheit auf der Kugel mit dem Radius R1 die folgende Formel:
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(1)
- PS = Sendeleistung [W]
- Su = ungerichtete Leistungsdichte
- R1 = Entfernung Sendeantenne - Ziel [m]

Bild 2: Der Antennengewinn multipliziert mit der ungerichteten Leistungsdichte ergibt die gerichtete Leistungsdichte

Bild 2: Der Antennengewinn multipliziert mit der ungerichteten Leistungsdichte ergibt die gerichtete Leistungsdichte
Wird die Abstrahlung (bei gleichbleibender Sendeleistung) durch die Richtwirkung einer Antenne auf eine Kugelteilfläche begrenzt, so ergibt sich in Abstrahlrichtung eine Erhöhung der Leistungsdichte. Man spricht von einem Antennengewinn. Für die gerichtete Leistungsdichte Sg ergibt sich:
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(2)
- Sg = gerichtete Leistungsdichte [W]
- Su = ungerichtete Leistungsdichte
- G = Antennengewinn
Radarantennen sind in der Realität natürlich keine „teilabstrahlenden” Kugelstrahler, sondern Richtantennen (z.B. Parabolantennen oder Phased Array Antennen) mit einem Antennengewinn von 30 bis 40 dB, was in der Formel einem Faktor von 1000 bis 10000 entspricht.
Die Zielauffassung ist nicht nur von der Leistungsdichte am Ort des Zieles abhängig, sondern zusätzlich von der Einschränkung wie viel davon tatsächlich in Richtung der Radaranlage reflektiert wird. Um die nutzbare reflektierte Leistung bestimmen zu können, wird die Rückstrahlfläche σ benötigt. Diese schwierig zu erfassende Größe ist von mehreren Faktoren abhängig. So ist es zunächst einleuchtend, dass eine größere Fläche mehr Leistung reflektiert als eine kleine Fläche, anders ausgedrückt:
Ein Airbus bietet bei gleicher Fluglage mehr Reflexionsfläche als ein einmotoriges Sportflugzeug. Darüber hinaus hängt die Rückstrahlfläche stark von Formgebung, Oberflächenbeschaffenheit und den verwendeten Materialien ab.
Wird das bisher gesagte zusammengefasst, so ergibt sich die reflektierte Leistung Pr (am Zielort) aus der Leistungsdichte Su, dem Antennengewinn G und der sehr variablen Rückstrahlfläche σ :

Bild 3: Zusammenhang zwischen Formel (3) und (4)
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(3)
- Pr = reflektierte Leistung [W]
- σ = Rückstrahlfläche [m²]
Vereinfacht kann ein Ziel aufgrund der reflektierten Leistung wiederum als Strahler betrachtet werden. Die reflektierte Leistung Pr wird dann zur abgestrahlten Leistung.
Da auf dem Rückweg der Echos die gleichen Verhältnisse wie auf dem Hinweg herrschen, ergibt sich für die Leistungsdichte am Empfangsort Se:
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(4)
- Se = Leistungsdichte am Empfangsort
- Pr = reflektierte Leistung [W]
- R2 = Entfernung Ziel - Empfangsantenne [m]
An der Radarantenne ist die Empfangsleistung Pe abhängig von der Leistungsdichte Se am Empfangsort und der wirksamen Antennenfläche AW.
(5)
- Pe = Empfangsleistung am Empfangsort
- Se = Leistungsdichte am Empfangsort
- AW = wirksame Antennenfläche
Eine effektiv wirksame Antennenfläche ergibt sich aus der Tatsache, dass eine Antenne nicht verlustfrei arbeitet, d.h. die geometrischen Abmessungen stehen nicht ganz als Empfangsfläche zur Verfügung. In der Regel ist die Wirkung einer Antenne um den Faktor 0,6 bis 0,7 (Faktor Ka) kleiner, als die geometrischen Abmessungen vermuten lassen.
Für die wirksame Antennenfläche gilt:
(6)
- AW = wirksame Antennenfläche [m²]
- A = geometrische Antennenfläche [m²]
- Ka = jeweiliger antennentypischer Verlustfaktor
Damit ergibt sich für die Leistung Pe am Empfangsort:
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Bisher wurde bei den Herleitungen der Hin- und Rückweg gesondert betrachtet. Mit dem nächsten Schritt werden beide Wege zusammengefasst und da die Strecke R1 (Antenne - Ziel) gleich R2 (Ziel - Antenne) ist, wird das im nächsten Schritt berücksichtigt.
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(9)
Eine weitere Gleichung, die an dieser Stelle nicht hergeleitet werden soll, stellt den Antennengewinn G in Beziehung zu der verwendeten Wellenlänge λ.
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(10)
Die Umstellung auf die Antennenfläche A · Ka und der Einsatz in die Gleichung (9) ergibt:
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(11)
Nach der Umstellung auf die Reichweite R entsteht die klassische Form der Radargleichung:
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(12)
Bei der Herleitung der Radargleichung wurden alle Größen, die Einfluss auf die ungestörte Wellenausbreitung der Radarsignale nehmen, berücksichtigt. Darüber hinaus wurden die Abhängigkeiten der Größen veranschaulicht und letztendlich in der klassischen Radargleichung zusammengefasst.
Über diesen theoretischen Ansatz hinaus lässt sich die Radargleichung sehr wohl auch in der Praxis anwenden, z.B. um die Leistungsfähigkeit von Radaranlagen zu ermitteln. Für diese erweiterten Betrachtungen eignet sich die Form der klassischen Radargleichung jedoch noch nicht. Einige weitere Überlegungen sind notwendig.
Bezogen auf eine bestimmte Radaranlage können die meisten Größen (Ps, G, σ) als konstant betrachtet werden, da sie nur in kleinen Bereichen veränderliche Gerätedaten sind. Dagegen stellt die effektive Rückstrahlfläche σ eine schwer fassbare Größe dar und wird deshalb meistens mit dem praxisorientierten Wert 1 m² angenommen.
Unter dieser Bedingung ist die Empfangsleistung Pe interessant, die im Radarempfänger ein gerade noch wahrnehmbares Echosignal hervorruft. Diese Empfangsleistung wird PE min genannt. Kleinere Empfangsleistungen sind nicht verwertbar, da sie im Rauschen des Empfängers untergehen. PE min in die Radargleichung eingesetzt, bewirkt, dass mit der Gleichung die theoretisch maximale Reichweite Rmax bestimmt werden kann.
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(13)
Eine praxisnahe Anwendung dieser Radargleichung ist die Ermittlung von Leistungsdaten bestimmter Radaranlagen mit dem Ziel, die Anlagen zu vergleichen und zu bewerten.
Einflüsse auf die Reichweite einer Radaranlage
Alle Betrachtungen in Zusammenhang mit der Radargleichung wurden bisher unter der Voraussetzung angestellt, dass sich die elektromagnetischen Wellen unter idealen Bedingungen ausbreiten können. In der Praxis ergeben sich allerdings eine Reihe von Verlusten, die nicht unberücksichtigt bleiben können, da sie die Wirksamkeit einer Radaranlage zum Teil erheblich reduzieren.
Dazu wird zunächst die Radargleichung um den (gesamten) Verlustfaktor Lges erweitert. Da diese Verluste die Reichweite verringern, erscheint dieser Faktor im Nenner:
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(14)
Dieser Faktor fasst die nachfolgend beispielhaft aufgeführten Verlustarten zusammen:
- L D = geräteinterne Dämpfungsverluste auf dem Sende- und Empfangsweg
- L f = Fluktuationsverluste bei der Reflexion am Ziel
- L Atm = atmosphärische Dämpfungsverluste auf dem Ausbreitungsweg zum Ziel und zurück
Geräteinterne Dämpfungsverluste entstehen in der Hauptsache an Hochfrequenzbauteilen wie Hohlleiter, Filter, aber auch durch ein Radom. Diese Verlustart ist, bezogen auf eine bestimmte Radaranlage, in ihrem Wert relativ konstant und auch gut ermittelbar (messbar).
Als ständiger Einfluss ist noch die atmosphärische Dämpfung und Reflexionen an der Erdoberfläche zu nennen.
Einfluss der Erdoberfläche
Eine erweiterte, heute aber nicht mehr verwendete Form der Radargleichung berücksichtigt zusätzliche Faktoren, wie den Einfluss der Erdoberfläche und schlüsselt die Empfängerempfindlichkeit (Rauschfaktor), den Deckungswinkel des Standortes (Faktor mit Sinusfunktionen) und die atmosphärische Dämpfung (Faktor mit Exponentialfunktion) weiter auf.



(15)
In dieser Formel bedeuten zusätzlich zu den bereits bekannten Größen:
- Kα = Verlustfaktor an Stelle von Lges.
- Az = effektive Reflexionsfläche an Stelle von σ
- ti = Impulsdauer
- nR = Rauschzahl des Empfängers
- d = Deutlichkeitsfaktor des Sichtgeräte
- Re = Anfangsentfernung des dämpfenden Mediums
- γ = Höhenwinkel des Zieles
- K = Boltzmannsche Konstante
- T0 = absolute Temperatur in K
- γ = Abstrahlwinkel
- δR = Entfernungsdifferenz mit erhöhtem Dämpfungsfaktor
- hm = mittlere Antennenhöhe
Dass diese Formel nicht mehr verwendet wird, ist dem Umstand geschuldet, dass der darin beschriebene Einfluss der Erdoberfläche auf Radargeräte im VHF–Bereich zugeschnitten ist, die heute in Europa nicht mehr verwendet werden. Die Aufschlüsselung der minimal möglichen Empfängerempfindlichkeit wird jedoch oft vorgenommen. Ein Echosignal muss eben etwas größer als der Rauschpegel sein, damit es als Zielzeichen erkannt werden kann.

Bild 4: Reflexionen an der Erdoberfläche

Bild 4: Reflexionen an der Erdoberfläche
Reflexionen an der Erdoberfläche
In Formel (15) repräsentiert der Faktor mit den Sinusfunktionen den Einfluss der Erdoberfläche.
Durch die Überlagerung des direkten mit dem reflektierten Echo verändert sich das Sende- und Empfangsdiagramm der Antenne.
Dieser Einfluss ist im VHF-Bereich erheblich und nimmt mit zunehmender Frequenz ab.
Zur Ortung von Zielen in geringen Höhen ist eine spiegelnde Reflexion an der Erdoberfläche nötig.
Diese wird nur erreicht, wenn die Welligkeit des Geländes innerhalb der
1. Fresnelschen Zone den Wert
0,001 R nicht übersteigt
(D.h: Innerhalb von einem Radius von 1000 m darf kein Hindernis größer als 1 m sein!).
Diese Reflexionen können bei sehr hochauflösenden Radargeräten auch zur Bestimmung des Höhenwinkels durch Multipathempfang genutzt werden.
Spezialisierte Radargeräte vor allem in niedrigeren Radarfrequenzbereich unterhalb des L-Bandes nutzen die Reflexionen an der Erdoberfläche zur Erhöhung der Reichweite in niedrigen Höhen. Bei höheren Frequenzen ist der Einfluss der Reflexionen eher störend. Das folgende Bild zeigt das Antennendiagramm einer E-Band Antenne, welches durch die Reflexionen an der Erdoberfläche deformiert wurde. Diese zerklüftete untere Flanke des Diagramms ist sehr störend, weil eine durchgehende Darstellung eines Flugzieles in einer bestimmten Höhe damit unmöglich geworden ist.

hier ist es das idealisierte Cosecans²- Diagramm!
Bild 5: Einfluss von Reflexionen auf das Antennendiagramm

hier ist es das idealisierte Cosecans²- Diagramm!
Bild 5: Einfluss von Reflexionen auf das Antennendiagramm

hier ist es das idealisierte Cosecans²- Diagramm!
Bild 5: Einfluss von Reflexionen auf das Antennendiagramm
Eine Erhöhung des Antennenturms würde den Effekt verringern. Eine größere Anzahl von Keulen, aber mit kleinerer Ausprägung werden dann meist durch Hindernisse in der Umgebung verdeckt. Bei der Auswahl des Antennenstandortes und vor allem der Antennenhöhe muss also Augenmerk auf die Verhinderung der Auswirkungen der Reflexionen an der Erdoberfläche gelegt werden. Ist das Radar in einer Umgebung aufgebaut die von einer flachen, spiegelnden Ebene völlig abweicht, dann können diese diagrammstörenden Effekte nicht mehr beobachtet werden. Je höher die Antenne steht, desto weiter weg liegen diese reflektierenden Flächen. Gleichzeitig müssen die reflektierenden Flächen auch größer sein wegen der Divergenz der Strahlung. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Reflexionen gleichmäßig stark sind und zu Interferenzen führen, sehr viel geringer.