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Effektive Rückstrahlfläche (RCS)

Bild 1: experimentell ermittelte relative Rückstrahlfläche σ /σ0 eines B–26-Bombers bei einer Frequenz von 3 GHz (nach Skolnik)

Die Grafik zeigt das Sekundärstrahlungsdiagramm eines Flugzeuges im Polarkoordinatensystem. Das Diagramm besteht aus einer chaotisch anmutenden dichten Folge von Maxima und Minima der Sekundärstrahlung rings um ein im Zentrum des Polarkoordinatensystems stilisiert gezeichnetes Flugzeug.

Bild 1: experimentell ermittelte relative Rückstrahlfläche σ /σ0 eines B–26-Bombers bei einer Frequenz von 3 GHz (nach Skolnik)

Effektive Rückstrahlfläche (RCS)

Die effektive Rückstrahlfläche σ, in manchen Veröffentlichungen auch Radarquerschnitt als lineare Übersetzung des englischen Begriffes Radar Cross Section, (RCS) genannt, ist eine flugkörperspezifische Größe, die von vielen Faktoren abhängig ist. Die rechnerische Ermittlung des wirksamen σ-Wertes ist nur bei einfachen Körpern möglich. Die Rückstrahlfläche einfacher geometrischer Körper ist abhängig von der Körperform und der Wellenlänge, oder besser gesagt, vom Verhältnis der Strukturabmessungen des Körpers zur Wellenlänge.

Praktisch hängt die effektive Rückstrahlfläche von:

Während bei der Konstruktion eines Passagierflugzeuges mehr Augenmerk auf Effektivität und Sicherheit gelegt wird, wird bei einem militärisch genutzten Flugzeug schon darauf geachtet, dass diese Rückstrahlfläche möglichst klein ist. Maßnahmen dafür werden als Stealth- Technologie bezeichnet.

Bild 2: Die Referenz für die effektive Reflexionsfläche: eine metallische Kugel, die in der Ansicht einen (projizierten) Kreis mit einer Fläche von 1 m² bietet.

Bild 2: Die Referenz für die effektive Reflexionsfläche: eine metallische Kugel, die in der Ansicht einen (projizierten) Kreis mit einer Fläche von 1 m² bietet.

Was bedeutet die Rückstrahlfläche für ein Radar?

Die effektive Rückstrahlfläche eines beliebigen Reflektors kann man sich als Verhältnis zu einem idealisierten Referenzreflektor vorstellen. Die projizierte Fläche eines äquivalenten isotropen (das heißt: in alle Richtungen gleich reflektierenden) Referenzreflektors hat eine effektive Rückstrahlfläche von genau einem Quadratmeter. In alle Richtungen gleich reflektieren: das wird in der Praxis nur von einem kugelförmigen Reflektor mit ideal leitender Oberfläche ausgeführt. Aus großer Entfernung erkennt man die Kugelform nicht, man sieht nur eine kreisförmige Fläche: die sogenannte Projektion, beides mit dem gleichen Durchmesser. Damit diese Fläche die Größe von einem Quadratmeter erhält, muss der Durchmesser dieser Kugel etwa 1,128 m sein. Solch ein äquivalenter isotroper Reflektor liefert unabhängig vom Aspektwinkel (also unabhängig von der Richtung des Radars) die gleiche Leistung pro Maßeinheit eines Raumwinkels wieder zurück zum Radar. Isotrop reflektierend bedeutet nicht, dass diese Kugel die aus einer Richtung ankommende Leistung in alle Richtungen gleich groß verteilen würde. Form und Größe der Verteilung ist unterschiedlich, jedoch relativ zum Aspektwinkel des beleuchtenden Radars immer gleich, unabhängig davon, aus welchem Winkel das Radar diese Kugel anstrahlt. Der Referenzreflektor kann aber nur die Leistung wieder abstrahlen, die er auch empfangen hat:

σSt = Sr· r2 mit St – Leistungsdichte des Senders am Radarziel in [W/m²]
Sr – gestreute Leistungsdichte am Empfangspunkt in [W/m²]
σSt – ist die durch das Radarziel empfangene und wieder abgestrahlte Leistung (in Watt)
σSt/4π – ist diese Leistung pro Raumwinkel, also geteilt durch Steradiant (in Watt pro Steradiant)
r – Radius der Kugel
(1)
 

Diese Gleichung (1) drückt eigentlich nur eine Leistungsbilanz aus: es kann nur die Leistung reflektiert werden, die an diesem reflektierenden Objekt ankommt; und diese Leistung wird in alle Richtungen abgestrahlt. Von dieser Leistung kann das Radar aber nur einen kleinen Teil wieder empfangen. Dieser Teil ist abhängig von der effektiven Antennenfläche, der Antennenapertur.

Da hier die vom Radarsender erzeugte und am Reflexionsort ankommende Leistungsdichte mit der am Radar wieder ankommenden reflektierten Leistungsdichte in ein Verhältnis gesetzt wird, kürzen sich alle anderen Einflüsse, wie zum Beispiel die Freiraumdämpfung und Entfernung zum Radar weg. Es wird angenommen, dass für ein monostatisches Radar die Ausbreitungsbedingungen auf dem Hinweg und auf dem Rückweg gleich seien.

Sr sei die Leistungsdichte am Empfangsort des Radars, den wir jetzt aus der Perspektive des reflektierenden Objektes sehen. Diese Leistungsdichte hat die Maßeinheit Watt pro Flächeneinheit: W/m². Die Empfangsantenne des Radars hat nur eine effektive Antennenapertur Ar (diese ist eine Fläche und ein Teil der Oberfläche einer Kugel). Die empfangene Leistung der Radarantenne beträgt dann Sr·Ar, das ist die Leistungsdichte an der Antenne multipliziert mit deren effektiver Antennenfläche.

Diese Antenne kann aber nur einen sehr geringen Teil der vom Objekt in alle Richtungen reflektierten Leistung empfangen, denn sie nimmt nur eine kleine Fläche auf der Kugeloberfläche ein. Diese Fläche ist proportional zu dem eingenommenen Raumwinkel Ω von der insgesamt auf einer kugelförmigen Oberfläche verteilten reflektierten Leistung:

Ω = Ar/r2 (2)

An der Empfangsantenne kommt somit eine Leistungsdichte (Leistung pro Raumwinkel) von Sr·Ar an. Der Raumwinkel kann mit dem Ausdruck aus Gleichung (2) ersetzt werden und führt zu

Sr·Ar /Ω = Sr·Ar /(Ar /r2) = Sr·r2 (3)

Der Ausdruck Sr·r² steht somit für die empfangene Leistung pro Raumwinkeleinheit (in Watt pro Steradiant) und korrespondiert zu der obigen Gleichung (1). Diese kann dann umgestellt werden zu der im Folgenden genutzten Gleichung (4).

Nicht-isotroper Referenzreflektor

Im Gegensatz zu dem in der Antennentechnik genannten isotropen Kugelstrahler kann ein solcher isotroper Referenzreflektor sehr wohl in der Realität aufgebaut werden. Er wäre wegen seiner Abmessungen nur sehr unhandlich. Da in einem Messaufbau die Richtung zum Radar bekannt ist, kann auch ein kalibrierter Winkelreflektor verwendet werden. Dieser hat wie in der Antennentechnik üblich gegenüber dem isotropen Referenzreflektor einen Gewinn G, der jedoch später aus dem Messergebnis herausgerechnet werden kann.

Rechnerische Ermittlung der Rückstrahlfläche

In der folgenden Formel gibt die Rückstrahlfläche eine effektive Fläche an, welche die einlaufende Welle einfängt und wieder in den Raum abstrahlt. An der Empfangsantenne des Radargerätes kommt also nur eine Leistungsdichte an, die von der Fläche der Kugel (4π r²) verursacht wurde. Der Radarquerschnitt σ ist definiert als:

σ = 4π r2· Sr
 
mit
σ — scheinbare Fläche in [m²], Maß für die Rückstreufähigkeit
St — Leistungsdichte des Senders am Radarziel in [W/m²]
Sr — gestreute Leistungsdichte am Empfangsort in [W/m²]
(4)
St

Die folgenden Formeln zur Berechnung der effektiven Rückstrahlfläche gelten unter der Voraussetzung der optischen, also frequenzunabhängigen Reflexion an Körpern, die sich sehr viel weiter als die Wellenlänge vom Radargerät entfernt befinden und die sehr viel größer als die verwendete Wellenlänge des Radars sind.

Reflexion an einer Kugel
Reflexion an einer Kugel
 
σ = π r2 (5)
Reflexion an einem Zylinder
Reflexion an einem Zylinder
 
σmax = 2π r h2 (6)
λ
Reflexion an einer flachen Platte
Reflexion an einer flachen Platte
 
σmax = 4π b2 h2 (7)
λ2
Reflexion an einer geneigten Platte
Reflexion an einer geneigten Platte

…eigentlich wie das vorherige Beispiel, wenn als Fläche die Projektion der Platte zum Radar eingesetzt wird. Nur: die reflektierte Energie wird in eine andere Richtung reflektiert. Das aussendende Radar kann diese Energie also nicht empfangen. Deshalb gibt es bistatische Radargeräte, bei denen der Sender und die Empfänger räumlich getrennt sind.

Tabelle 1: Reflexion an geometrischen Körpern

Rückstrahlfläche für punktförmige Ziele
Zieleσ [m²]σ [dB]
Vogel0,01-20
Mensch10
Segelboot1010
PKW10020
LKW20023
Winkelreflektor2037943,1

Tabelle 2: Rückstrahlfläche für Punktziele

Als punktförmige Ziele werden in der Radartechnik Ziele genannt, deren geometrische Abmessungen kleiner als das Impulsvolumen des Radargerätes sind. Im Gegensatz zu den Volumenzielen (vorwiegend bei Wetterradar auftretend) füllen sie das Impulsvolumen nicht vollständig aus. In der Radarsignalverarbeitung belegen sie eine Rangecell (maximal zwei, falls sie genau auf der Grenze liegen).

Die effektive Rückstrahlfläche setzt sich in der Realität aus der Summe vieler kleiner Teilleistungen zusammen, die sich an unterschiedlichen Stellen des reflektierenden Körpers befinden. Je nach dem Winkel, aus dem dieses Objekt angestrahlt wird, haben diese Teilflächen mehr oder weniger großen Einfluss, sie können verdeckt sein oder ihr Abstand zum Radar kann sich um mehrere Vielfache von der halben Wellenlänge unterscheiden, so dass sie sich teils konstruktiv, teils destruktiv überlagern (siehe Interferenz). Die effektive Reflexionsfläche ist somit stark abhängig von dem Betrachtungswinkel und kann nicht mehr so einfach geometrisch berechnet werden. Sie ist meist ein Ergebnis umfangreicher praktischer Messungen entweder am Original, oder mit einem zur aktuell bei der Messung verwendeten Wellenlänge maßstabsgetreu verkleinerten Modell.

Einige beispielhaft genannte Ziele haben gemäß ihrer geometrischen Ausdehnung einen sehr großen Betrag der effektiven Rückstrahlfläche und reflektieren also einen recht großen Betrag der Sendeenergie. Nebenstehende Tabelle nennt einige Beispiele für Rückstrahlflächen im X-Band.

(Tabellenwerte aus: M. Skolnik, „Introduction to radar systems“, 2nd Edition, McGraw-Hill, Inc 1980, Seite 44.
Die Rückstrahlfläche des Winkelreflektors ist angegeben für ein Beispiel mit Kantenlängen von 1,5 m.)